Das Jahr 2022 war sehr ereignisreich für die Pharmabranche. Sei es die Einführung weiterer Track & Trace Systeme rund um die Welt, wie der Tatmeen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, oder der Einzug digitaler Gesundheitstechnologien, wie der Telemedizin, in den Praxisalltag. Die wichtigsten Entwicklungen in 2022 und aufkommende Trends für 2023 haben wir für Sie in diesem Artikel zusammengefasst.
Thematisiert werden neue Regularien in Kirgistan, Kasachstan und Australien, sowie das in Kraft treten des deutschen Lieferkettengesetzes. Die veränderten Anforderungen des amerikanischen Drug Supply Chain Security Act (DSCSA) und die Erweiterung des libanesischen Track-and-Trace-Systems haben wir bereits in anderen Artikeln vorgestellt. Neben diesen Themen möchten wir sie außerdem über Entwicklungen in den Bereichen Digitale Gesundheitstechnologie, Personalisierte Medizin und Supply Chain Management informieren.
Weltweite Regularien
In dem zentralasiatischen Land Kirgisistan ist für 2023 geplant, ein nationales Serialisierungssystem mithilfe von drei freiwilligen Implementierungswellen von Januar bis August einzuläuten. Ab September 2023 ist eine Serialisierung für alle importierten Pharmaka vorgeschrieben. Handelt es sich um Produkte, die eine Länderkennzeichnung für andere Märkte z.B. der Eurasian Economic Union (EAEU) aufweisen, können diese noch zwei Jahre weiter vertrieben werden, bis die Etikettierung dann vollständig den regulatorischen Anforderungen Kirgisistans entsprechen muss. In Kasachstan wird die Serialisierung aller Medikamente ab Juni 2023 verpflichtend sein. Das Track-and-Trace-System wurde auch hier schrittweise eingeführt. Neben diesen zwei EAEU-Ländern, wird in Australien der Weg zur Serialisierung bereitet. Dort ist am 1. Januar 2023 die Verordnung über therapeutische Produkte (Arzneimittel – Standard für Serialisierung und Data-Matrix-Codes) (TGO 106) in Kraft getreten.
Deutsches Lieferkettengesetz
Am 1. Januar 2023 ist in Deutschland das Gesetz über die unternehmerische Sorgfaltspflicht in Lieferketten, das sogenannte Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen dazu, nachzuweisen, dass sie ethisch und nachhaltig handeln. Hierzu gehört die Verantwortung globale Lieferketten zu überwachen. Außerdem ist sicherzustellen, dass Menschenrechte eingehalten, faire Löhne bezahlt und Kinderarbeit, sowie Umweltschäden verhindert werden. In der Vergangenheit ist China bei diesen Themen negativ aufgefallen. Als eines der Hauptexportländer für Pharmazeutika ist dieses Gesetz somit auch für die Pharmabranche interessant.
Globale Lieferengpässe
Seit Beginn der Corona Pandemie kommt es weltweit vielfach zu Lieferengpässen. Diese beziehen sich auf Arzneimittel, die im Ausland hergestellt, oder Rohstoffe, die dringend für die Produktion benötigt werden. Verstärkt wurde dieses Problem 2022 durch den Krieg in der Ukraine, sowie der plötzlichen Abschaffung der chinesischen „Zero-Covid“ Politik. Bei solch großen geopolitischen Risiken verwundert es nicht, dass Investoren zögern und die Anzahl an M & As (Mergers and Acquisitions) in der Pharmabranche abnimmt. Weiterhin kontrovers diskutiert wird diesbezüglich auch die Verlagerung globaler Produktionsstandorte zurück in die Heimat z.B. von China nach Europa. Um die heimische Produktion zu fördern, sind jedoch Geld und viel Anstrengung von Nöten. Außerdem gilt es, das Lohn-Kosten-Verhältnis für Unternehmen zu verbessern, regulatorisch mehr Transparenz über bestehende Lieferketten zu gewinnen und weitere Anreize zu schaffen.
Virtuelle Arztbesuche
Digitale Gesundheitslösungen, wie die Telemedizin, sind seit Beginn der Covid-19 Pandemie auf dem Vormarsch. Pharmazeutische Investments in diesen Geschäftszweig nehmen weiterhin massiv zu. Die Möglichkeit Arztgespräche und -kontrollen virtuell durchzuführen bringt nämlich einige Vorteile mit sich. So wird weniger Schutzausrüstung benötigt und die Wahrscheinlichkeit für Patient:innen, sich zum Beispiel während eines Praxisaufenthalts mit Covid-19 anzustecken, ist deutlich geringer. Vor allem für chronisch kranke, immungeschwächte oder auch vorsichtige Personen ist dies ein wichtiger Punkt. Flexibilität und Komfort sind weitere Punkte, die für diese Art der Behandlung sprechen können.
Onkologie und ZNS-Fokus
Ein Trend in Pharma, der sich schon vor 2022 angebahnt hat und sich auch für die weitere Zukunft abzeichnet, ist die Fokussierung der Pharmabranche auf die Therapiegebiete Onkologie und Zentrales Nerven-System (ZNS). Die treibende Kraft im Bereich Onkologie sind die Patient:innen selbst. Durch den Beitritt zu Selbsthilfegruppen oder größeren Gemeinschaften erhalten nun auch Menschen, die an selteneren Krebserkrankungen leiden, endlich eine Stimme. Betrachtet man das Zusammenspiel einer alternden Gesellschaft und der Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen, spricht auch dies sehr deutlich für einen steigenden Bedarf an Therapiemöglichkeiten.
Aufkommende Trends in Pharma 2023
2023 könnte ein sehr spannendes Jahr werden für Hersteller und Logistiker. Die Präzisionsmedizin schreitet weiter voran und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Effizienz bei Supply Chain Prozessen ist allgegenwärtig. Zudem wird voraussichtlich stärker in die Forschung und Produktion von „Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMPs)“ investiert werden. Hier sind große Profite der Hersteller zu erwarten.
Die Produktion, Lagerung und der Vertrieb von ATMPs, zu denen auch Gen- und Zellbasierte Therapien zählen, stellt Hersteller und Logistiker immer wieder vor Herausforderungen. Jedes dieser Medikamente ist auf bestimmte Patienten zugeschnitten. Spezialisierte Anlagen werden daher benötigt für geringere Produktmengen bei gleichzeitigem Wunsch nach hoher Qualität. Außerdem reagieren ATMPs sensibler auf Temperaturveränderungen und weisen eine kürzere Haltbarkeit auf. Diese Herausforderungen verlangen nach ausgeklügelten Ideen und modernen Technologien, um mehr Qualität, Transparenz und Effizienz in die Lieferkette zu bringen.
Geopolitische Entwicklungen, wie z. B. die ansteigende Inflation bringen pharmazeutische Unternehmen dazu ihre Lieferketten günstiger, nachhaltiger und effizienter zu gestalten. Dazu gehört eine stärkere Diversifizierung von Lieferketten, um z.B. unabhängiger vom chinesischen Markt zu sein („China Plus One“-Strategie). Künstliche Intelligenzen (KIs) oder smarte Software-Lösungen werden zukünftig stärker in das Supply Chain (Risk) Management eingebunden und manuelle Prozesse weiter digitalisiert. Pharmazeutische Unternehmen investieren auch verstärkt in Maßnahmen für Cybersicherheit („Zero Trust“-Modell). Denn seit dem Wettlauf um Covid-19 Impfstoffe sind viele pharmazeutische Lieferketten von Cyber-Attacken betroffen. Laut GlobalData wurden z.B. in Q3 2022 30% mehr Cybersicherheits-Experten rekrutiert wurden als in Q3 2021.
Eine letzte interessante Entwicklung, die seit Covid-19 anhält, ist der steigende Bedarf an Veterinärmedizin. Da sich viele Menschen während der Pandemie Haustiere angeschafft haben, wird dieser Markt auch weiterhin ein starkes Wachstum verzeichnen können. Pharmazeutische Hersteller, die danach streben ihr Produktportfolio zu erweitern, könnten Interesse daran haben hier Fuß zu fassen.