Am 06. Januar 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission (EC) einen Vorschlag zur Verlängerung der MDR-Übergangsfristen (Medical Device Regulation). Dieser Vorschlag wurde am 16. Februar verabschiedet, womit die Verlängerung in Kraft trat. Die Pflicht von Medizinprodukt-Herstellern, ihre Produkte MDR-konform auszurichten, wurde dadurch um einige Jahre in die Zukunft verschoben. Diese Entscheidung beruht auf der Befürchtung der MedTech Industrie, dass viele Unternehmen die ursprüngliche Deadline nicht einhalten können. Damit hätte eine Vielzahl von Medizinprodukten ihre Marktzulassung verloren, was letztendlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Patient:innen hätte.
Die Verlängerung der Fristen wirft zudem einige weitere Fragen auf. Warum hält die EC es noch für notwendig, die Fristen zu verschieben? Welche Bedeutung hat dies für Produzenten und die Nutzer:innen von Medizinprodukten? Welche Auswirkungen hat die Verschiebung der MDR Fristen auf die EUDAMED-Deadline? Worauf muss ich als Hersteller nun achten? In diesem Artikel möchten wir diesen Fragen auf den Grund gehen.
Fehlende Benannte Stellen
Ein Hauptgrund der Verlängerung der MDR-Übergangsfristen ist die geringe Zahl an Benannten Stellen. Als unabhängige Organisationen prüfen sie die Konformität der bei ihnen eingereichten Medizinprodukte. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Vorschlags zur Verlängerung, gab es in der EU 36 Benannte Stellen. Im Vergleich gab es unter der Medical Device Directive (MDD) im Jahr 2017 noch 59 und im Jahr 2013 sogar 78 Benannte Stellen. Geringere Kapazitäten für die Konformitätsprüfung von Medizinprodukten führen zu längeren Wartezeiten. Bis Oktober 2022 wurden 8.120 Konformitätsprüfungen beantragt, während lediglich 1.990 Zertifizierungen vergeben wurden. Außerdem gibt es insgesamt 21.376 bekannte Legacy Devices, welche in Zukunft auf eine Zertifizierung warten könnten. Aufgrund dieser Diskrepanz schätzen Expert:innen, dass die Umstellung aller MDR-Zertifikate erst im Dezember 2027 abgeschlossen wäre. Die EC gab jedoch bekannt, dass Anträge für 26 weitere Benannte Stellen momentan geprüft werden.
Neue Fristen
Auch um eine Unterversorgung von Patient:innen zu vermeiden, wurde der Vorschlag zur Verlängerung der MDR-Übergangsfristen von der Europäischen Kommission verabschiedet. Die neuen Deadlines sehen dabei wie folgt aus:
Produktklassen | Altes Datum | Neues Datum |
Klasse Is, Im, Ir | – | 31. Dezember 2028 |
Klasse IIa | 26. Mai 2024 | 31. Dezember 2028 |
Klasse IIb nicht implantierbar | 26. Mai 2024 | 31. Dezember 2028 |
Klasse IIb implantierbar | 26. Mai 2024 | 31. Dezember 2027 |
Klasse III | 26. Mai 2024 | 31. Dezember 2027 |
Von diesen Daten sind ausschließlich Legacy Devices betroffen, also solche Produkte, für die eine vor dem 26. Mai 2021 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG oder 93/42/EWG des Europäischen Rates ausgestellte Bescheinigung oder Konformitätserklärung vorliegt. Zudem sind an die neuen Deadlines einige wichtige Bedingungen verknüpft:
- Weiterhin konform mit MDD/AIMDD
- Keine wesentliche Veränderung des Produkts
- Produkt stellt kein unannehmbares Risiko für Patient:innen dar
- Qualitätsmanagementsystem gemäß Artikel 10(9) bis spätestens 26.05.2024 eingerichtet
- Konformitätsbewertung nach MDR bis zum 26.05.2024 beantragt, schriftliche Vereinbarung mit einer Benannten Stelle bis spätestens 26.09.2024
Im Rahmen dieser Entscheidung wurde auch die zuvor festgelegte Abverkaufsfrist vom 27. Mai 2025 gänzlich gestrichen, da sie ebenfalls das Risiko eines Versorgungsengpasses birgt. Hersteller können nun die vor dem 26. Mai 2021 bereits auf den Markt gebrachten Medizinprodukte ohne zeitliche Einschränkung abverkaufen und müssen sich keine Gedanken bezüglich eines Rückrufs oder einer möglichen Entsorgung machen.
Weiterhin sei zu erwähnen, dass die Fristen zur UDI Kennzeichnung unverändert bleiben.
Was ist jetzt wichtig?
Auch wenn die Übergangsfristen fürs Erste verschoben wurden, bedeutet es nicht, dass sich Hersteller nun ausruhen können. Bedenkt man, dass bislang für nur 8.120 Medizinprodukte eine Konformitätsprüfung beantragt wurde, kann es erneut zu einem Rückstau kommen. Diese Zahl entspricht nämlich nicht einmal der Hälfte der 21.376 Medizinprodukte, welche unter der Active Implantable Medical Devices Directive und der Medical Devices Directive auf dem Markt zugelassen wurden. Zwar wurden und werden die Kapazitäten der Benannten Stellen durch nicht-legislative Maßnahmen erhöht und die 26 ausstehenden Benannten Stellen vermutlich bald akkreditiert. Die Deadlines der Übergangsfristen sind nichtsdestotrotz knapp gesetzt.
Für Hersteller ist es weiterhin wichtig, die notwendigen Daten der eigenen Produkte bereits jetzt zu sammeln. Während die Deadline der Konformitätsprüfungen weiter in die Zukunft rückt, ist nämlich das Live-Datum der EUDAMED gleichgeblieben. Somit müssen die Daten der Medizinprodukte momentan bereits einige Jahre vor ihrer MDR-Konformität in der Datenbank eingetragen sein. Unsere Softwarelösung mytracekey MedTech kann Ihnen dabei helfen, Ihre Produktdaten effizient und MDR-konform zu managen.
[Update]
Im Oktober 2023 teilte die Europäische Kommission zusätzlich eine Verlängerung der Übergangsfrist für die EUDAMED mit.
[Disclaimer]Die vorliegenden Informationen sind nur eine mögliche Interpretation der Regularien. Diese befinden sich zudem im ständigen Wandel, sodass die Informationen in diesem Artikel möglicherweise unvollständig oder nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Bei dem obigen Artikel handelt es sich ausdrücklich nicht um eine rechtliche Beratung. Bitte informieren Sie sich in den offiziellen Dokumenten, bevor Sie unternehmerische Entscheidungen treffen. (Stand der Informationen: November 2023)