Wer Produkte in Russland verkaufen will, egal ob Pharmazeutika, Spirituosen oder Medizinprodukte, muss bestimmten Regularien entsprechen und gegebenenfalls auch die Nachverfolgbarkeit seiner Produkte garantieren. Durch ein groß angelegtes track-and-trace Projekt in Russland werden seit einigen Jahren zahlreiche Produktgruppen in ein track-and-trace System überführt, um Produktfälschungen und illegalen Handel zu reduzieren.
Einer aktuellen Studie des National Research University Higher School of Economics (April 2021) wurden 2020 0,67 Billionen Verpackungen von antiseptischen und desinfizierenden Mitteln in Russland verkauft. Davon wurden über 50 % illegal gehandelt. Deshalb wurde im darauffolgenden Jahr auch im Bereich der Medizinprodukte in Russland ein Pilotprojekt zur Nachverfolgbarkeit durchgeführt. Mittlerweile ist die Kennzeichnung verpflichtend.
Um die Sicherheit und Echtheit von Produkten wie Nahrungsergänzungsmitteln, Medizin oder Schuhen zu gewährleisten, werden in Russland immer wieder digitale Markierungsprojekte der verschiedenen Produktgruppen durchgeführt. Dabei wird getestet, welche Auswirkungen track-and-trace auf die Industrie und die Konsument:innen hat und wie sich die Vorschriften zum Beispiel auf die Logistik auswirken. Für Medizinprodukte gab es eine Testphase vom 15.02.2022 bis 31.08.2023. An dem Pilotprojekt konnten allerdings nur Hersteller bestimmter Produktgruppen teilnehmen. Dazu zählten Hersteller von Luftdesinfizierern (plus des entsprechenden Zubehörs), orthopädische Schuhe und Einlagen, Hörgeräte, CT-Scanner und Inkontinenzprodukte.
Fristen für die verpflichtende Kennzeichnung und Bereitstellung von Informationen
An die Testphase angeschlossen, wurde das Markierungsprojekt mit verbindlichen Fristen für die digitale Markierung von Medizinprodukten in Russland gestartet. Die Hersteller von Luftreiniger, Desinfektionsmittel und orthopädische Schuhe und Einlagen müssen bereits seit Oktober 2023 ihre Produkte registrieren. Zusätzlich sind sie verpflichtet auf Ebene der Verbraucherverpackung zu kennzeichnen und das Inverkehrbringen an die Behörde zu melden. Die Verpflichtungen zur Kennzeichnung und Registrierung im System gilt in Russland nicht nur für Hersteller und Importeure von Medizinprodukten, sondern auch für medizinische Einrichtungen und Groß- und Einzelhandelsorganisationen. Dementsprechend allen, die an dem Inverkehrbringen von Medizinprodukten bzw. am Umsatz beteiligt sind.
Derzeit fallen folgende Produkte unter die Kennzeichnungspflicht (genaue Termine s. Tabelle):
- Luftdesinfektionsmittel und -reiniger (einschließlich Geräte, bakterizide Anlagen und Umwälzgeräte zur Filterung und Reinigung der Raumluft)
- Orthopädische Schuhe und eingesetzte Korrekturelemente für orthopädische Schuhe (einschließlich Einlagen, Halbeinlagen)
- Hörgeräte (ausgenommen Einzelteile und Zubehör)
- Koronarstents
- Computertomographen
- Hygieneartikel zur Behandlung von Inkontinenz
Sobald die Kennzeichnungspflicht für eine Produktgruppe greift, empfiehlt die Behörde auch folgende Prozesse vorzubereiten und einmal für die Codes zu testen:
- Bestellung von Codes
- Anbringen auf Waren
- Einreichen eines Antragsberichtes
- Dokument zur Eingabe der sich im Umlauf befindlichen Markierungscodes in das Etikettiersystem
- Organisation der Zahlungen
Datum | Was? |
1.09.2023 | Verpflichtende Registrierung im Kennzeichnungssystem – aller Akteure, die Medizinprodukte in Verkehr bringen, Hersteller, Importeure, Einzelhandel u.a. – aller betroffenen Medizinprodukte |
1.10.2023 | Hersteller und Importeure der Produkte, die bereits am Pilotprojekt teilgenommen haben, sind verpflichtet, ihre Produkte zu kennzeichnen – Luftreiniger, Desinfektionsmittel (inkl. Des jeweiligen Zubehörs) – Orthopädische Schuhe und Einlagen |
1.03.2024 | Verpflichtende Kennzeichnung für – Hörgeräte (ausgenommen Zubehör) – Koronarstents – Computertomographen – Sanitär- und Hygieneprodukten zur Behandlung von Inkontinenz |
1.09.2024 | – Verpflichtung Rücknahmen von Medizinprodukten im System zu melden – Medizinprodukte müssen beim Verkauf gescannt werden – auch online gekaufte Waren sind davon betroffen, dem System müssen entsprechende – Verkaufsinformationen bereitgestellt werden |
1.09.2025 | Elektronische Dokumentenverwaltung wird verpflichtend – bei Versand und Annahme von gekennzeichneten Medizinprodukten – Informationen über jede Produkteinheit müssen ans System gemeldet werden |
Wie müssen Medizinprodukte in Russland gekennzeichnet werden? Informationen für Hersteller und Importeure
Unternehmen benötigen eine erweiterte elektronische Signatur (ECES), um am Honest Mark Kennzeichnungssystem teilnehmen zu können. Diese wird beim Bundessteueramt (CEP-Ausstellungsstellen) ausgestellt. Danach müssen sie sich bei der Markirovka, dem elektronischen Überwachungssystem registrieren.
Um den Code auf der Verpackung aufzubringen, ist eine Fläche von 13×13 mm erforderlich. Im 2-D Datamatrixcode müssen folgende Informationen enthalten sein:
1) Produktcode GTIN mit 14 Ziffern;
2) Individuelle Seriennummer mit 13 Zeichen;
3) Verifizierungscode (Crypto-Code), der die Originalität des Markierungscodes gewährleistet.
Importeure müssen beachten, dass ungekennzeichnete Produkte nicht mehr nach Russland eingeführt werden dürfen. Deshalb müssen die Produkte vor Grenzeintritt gekennzeichnet werden.
Zuständige Behörden und Standards für die Registrierung von Medizinprodukten in Russland
Die Medizintechnikbranche in Russland ist nicht durch nationale Gesetzgebung allein reguliert, sondern wird auch von den Beschlüssen der Eurasischen Wirtschaftsunion bestimmt. Das Eurasian Agreement on common principles and rules of circulation of medical devices wurde 2016 auf den Weg gebracht. Es soll zu einem harmonisierten Medizinproduktemarkt innerhalb der Eurasischen Union führen. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in der Regulation #144 der Eurasischen Kommission.
Seit Inkrafttreten der Regularie gab es zwei Verlängerungen. Im August 2022 wurde festgelegt, dass die Übergangsphase bis zum 31.12.2025 verlängert wird. Seit 2022 ist es möglich, Testregistrierungen von Medizinprodukten vorzunehmen.
Die zuständige Behörde in Moskau, bei der alle Medizinprodukte für ihre Zulassung registriert werden müssen, heißt Roszdravnadzor. Es handelt sich dabei um die zentrale Abteilung des Föderalen Dienstes für Überwachung im Gesundheitswesen und soziale Entwicklung. Sie ist dem Gesundheitsministerium, Minzdrav, untergeordnet. Das Medical Device Registration and Control Department ist wiederum mit der aktiven Bewertung von Medizinprodukten während des Registrierungsprozesses betraut und entscheidet, ob ein Medizinprodukt auf dem russischen Markt verkauft werden darf. Diese Behörde ist auch bei Änderungen und Anpassungen der Produkte zuständig, um sie beispielsweise erneut zu zulassen.
Die Risikoklassen und GOST-Zertifikate
In Russland gibt es, ähnlich wie in der EU, die Klassifikation nach Produkttyp und Risikoklasse. Sie werden in Decree No. 4n Medical Device Nomenclature Classifikation genauer definiert.
Risikoklasse | Risikobewertung |
Klasse 1 | niedrig |
Klasse 2a | moderat |
Klasse 2b | hoch |
Klasse 3 | kritisch |
Ein wichtiger Bereich in der Produktdokumentation beim Import von Waren sind die GOST-Zertifikate. Dabei handelt es sich um Standard-Zertifikate die die Produkte und ihre Produktfamilie betreffen. Es wird unterschieden zwischen GOST R, also russlandspezifischen Standards und GOST ISO, also internationale Standards. Die Industriestandards und technischen Spezifikationen finden nur produktspezifisch Anwendung und gelten dementsprechend nicht für alle Medizinprodukte.
Anforderungen für die Zulassung von Medizinprodukten in Russland
Um sich in der Roszdravnadzor zu registrieren, müssen für alle Medizinprodukte, unabhängig von ihrer Risikoklasse, folgende Dokumente und Informationen bereitgestellt werden (Ministerial Ordinance No. 11):
- Registrierungsformular
- Administrative Dokumentation
- Produktbeschreibung und technische Spezifikationen. Beschreibung der funktionellen Bestandteile, Teile und des Aufbaus des Medizinprodukts, einschließlich: Listen, Diagramme, Abbildungen oder Zeichnungen der funktionellen Bestandteile
- Beschreibung der Rohmaterialien
- Stabilitäts- und Sterilitätsberichte
- Etiketten und Gebrauchsanweisungen
- Beschreibung und technische Spezifikationen der Primär- und Sekundärverpackung
- Informationen über den Herstellungsprozess
- Berichte über die Biofunktionalität
- IEC 60601-Zertifikate (falls zutreffend)
- Biokompatibilitätsstudien auf der Grundlage von ISO 10993
- Benutzerdokumentation
- Klinischer Prüfplan (klinische Daten werden später eingereicht)
Der Registrierungsprozess: Medizinprodukte in Russland
Der Zulassungsprozess von Medizinprodukten in Russland gliedert sich in zwei Phasen:
In der ersten Phase prüft die Roszdravnadzor die eingereichten Dokumente. Es wird überprüft, ob alle Informationen vollständig sind und ob es dem Dokumentationsstandard entspricht. Danach wird es an das FGBU National Institut of Quality weitergeleitet, welches die Informationen ebenfalls überprüft. Es entscheidet, ob das Medizinprodukt für die klinische Forschung geeignet ist. Wird dies bestätigt, wird der Registrierungsprozess pausiert und das Medizintechnikunternehmen muss die klinische Forschung durchführen und die klinischen Daten zusammentragen.
In der zweiten Phase wird der Registrierungsprozess wieder aufgenommen, indem die klinischen Daten Roszdravnadzor zur Verfügung gestellt werden. Se werden wiederum zur Prüfung and das FGBU weiterleitet. Befindet dies die Daten für valide und gibt das OK für das entsprechende Produkt, wird die Registrierung durch Roszdravnadzor fertiggestellt. Die Daten werden durch die Behörde in der Datenbank hinterlegt und das Medizintechnikunternehmen erhält das Registrierungszertifikat.
Die aktuelle Situation für Medizinprodukte auf dem russischen Markt
Auf Grund der aktuellen Situation (Krieg Russland-Ukraine) wurde in 2022/23 ein Schnellregistrierungsverfahren von den russischen Behörden eingerichtet. Es soll verhindern, dass es zu Knappheit bei bestimmten Medizinprodukte, die von Sanktionen gegen Russland betroffen sind, kommt. Je nach Risikoklasse soll es möglich sein, die Registrierung innerhalb von fünf Werktagen abzuschließen. Dazu wurden auch bürokratische und Testanforderungen vereinfacht. Allerdings ist die fast-track Zertifizierung nur bis zum 1. Januar 2025 gültig (vor der Verlängerung 1. September 2023). Andere Maßnahmen sind ein Exportstopp für bestimmte Medizinprodukte.
Relevante Regularien für die Registrierung von Medizinprodukten:
- Federal Law 323, Article 38
- Decree No. 1416 Medical Device Registration Rules
- Decree No. 4n Medical Device Nomenclature Classification
- Ministerial Ordinance No. 11 Technical and User Documentation Requirements
[Disclaimer]
Die vorliegenden Informationen sind nur eine mögliche Interpretation der Regularien. Diese befinden sich zudem im ständigen Wandel, sodass die Informationen in diesem Artikel möglicherweise unvollständig oder nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Bei dem obigen Artikel handelt es sich ausdrücklich nicht um eine rechtliche Beratung. Bitte informieren Sie sich in den offiziellen Dokumenten, bevor Sie unternehmerische Entscheidungen treffen. (Stand der Informationen: November 2023)