Gefälschte Medizinprodukte in Europa: Ein Problem mit zu wenig Daten

Medical devices fakes, gefälschte Medizinprodukte

Gefälschte Medizinprodukte stellen weltweit ein großes Problem dar, schließlich gefährden minderwertige Fälschungen das Leben von Patient:innen. Anders als zu Medikamentenfälschungen gibt es allerdings kaum Daten oder etablierte Prozesse und Regularien, die zur Lösung beitragen.

Medizinprodukte bilden eine diverse und große Gruppe mit über 500.000 Produkten. Obwohl auch Medizinprodukte von Fälschungen betroffen sind oder sie aus der regulären Lieferkette entfernt werden, gibt es seitens der Behörden in Europa keine einheitlichen Prozesse für Meldung oder Datenerhebung. Erheblicher Nachholbedarf wird vor allem in Sachen Datenerhebung und Informationsverbreitung gesehen. Zudem fehlt es auch an der entsprechenden Sichtbarmachung für die Akteure entlang der Lieferkette. Auch werden Fälschungen oder die irreguläre Entfernung von Medizinprodukten aus der Lieferkette nicht konsequent strafrechtlich verfolgt. Zeitgleich befinden wir uns in einer Phase der Innovation, u.a. durch KI, sodass das Thema immer relevanter wird.

Der aktuelle Stand von Medizinproduktefälschungen in der EU

Eine aktuelle Erhebung des Committee of Experts on Minimising Public Health Risks Posed by Falsification of Medical Products and Similar Crimes (CD-P-PH/CMED) hatte das Thema zum Gegenstand. Die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten wurden befragt, wie sie das Thema gefälschte Medizinprodukte sehen und welche Maßnahmen sie ergreifen.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Es fällt den Behörden schwer, Fälschungen zu identifizieren, da entlang der Lieferkette zahlreiche Akteure beteiligt sind, die potentiell Fälschungen erkennen könnten. Meist fehlt es hier zudem an Erfahrung.
  • Die meisten Behörden stellen keine offiziellen Prozesse oder Tools, wie zum Beispiel Checklisten, für den Zoll oder Gesundheitsexperten bereit, um Fälschungen leichter zu identifizieren.
  • Mehr Datenaustausch zwischen den Behörden und den Akteuren der Lieferkette wird allgemein als sinnvoll erachtet.
  • In den meisten Ländern ist es zwar verpflichtend, (Verdachts-) Fälle zu melden, es gibt aber nur wenige Länder mit einer dezidierten Meldestelle.
  • Zum Zeitpunkt der Befragung kannte einer von 19 Teilnehmenden die Meldestelle knowx.edqm.eu, eine offizielle europäische Plattform, die es den unterschiedlichen Akteuren ermöglicht, sich über Fälschungen zu informieren und auszutauschen.
  • Die Befragten schätzten gerade das Bewusstsein über die Existenz von Medizinproduktefälschungen bei den Verwendern (Fachkräfte im Gesundheitswesen, Patient:innen) als recht gering ein.

Obwohl in der MDR einige Punkte zu Medizinproduktefälschungen geregelt werden, ist es laut der Umfrage noch zu früh, um einen Effekt auf den Umgang mit Fälschungen zu erkennen. Auch wird kritisiert, dass die MDR bislang nicht bis zu ihrem vollen Potential umgesetzt wird und die Nutzung der EUDAMED noch nicht verpflichtend ist.

In der MDR regeln folgende Artikel den Umgang mit gefälschten Medizinprodukten:

  • Artikel 2 (9) definiert gefälschte Produkte;
  • Artikel 7 enthält verbotene Angaben, die einen falschen Eindruck erwecken (d. h. Angaben, die den Eindruck erwecken, dass ein Produkt ein Medizinprodukt ist, obwohl dies nicht der Fall ist);
  • Artikel 13 und 14 enthalten Meldepflichten für Importeure bzw. Händler für gefälschte Produkte; und
  • Artikel 93 gibt den zuständigen Behörden das Recht, gefälschte Produkte zum Schutz der öffentlichen Gesundheit aus dem Verkehr zu ziehen.

Beispiele für Medizinproduktefälschungen

Die Firma LifeVac (UK) produziert ein Medizinprodukt, das dabei hilft, physisch blockierte Atemwege zu befreien. Auf ihrer Website informieren sie aktiv über sich im Umlauf befindliche Fälschungen ihres Produktes und warum diese so gefährlich sind. In diesem Beispiel handelt es sich um ein Produkt, das Leben in Akutfällen retten kann, sodass sich zeigt, wie wichtig es ist, gegen Fälschungen vorzugehen. LifeVac zeigt auf, dass durch die fehlende Kontrolle und fehlende Testung des Produktes seine Funktionalität nicht gewährleistet ist. Wie beispielsweise, dass sie auch unter extremeren Temperaturen funktionieren, sodass Leben durch die Fälschungen gefährdet werden.

Besonders offensichtlich wurde das Thema auch während der Coronazeit. Schon zu Beginn von 2020 wart die WHO vor gefälschten Medizinprodukten und Medikamenten, zum Beispiel Test-Kits oder Impfdosen, die sich schnell auf dem Markt verbreiteten.

Welche Lösungen gibt es, um gefälschte Medizinprodukte aufzudecken?

Die EUDAMED bietet das Potential, Fälschungen schneller aufzudecken, da hier alle relevanten Daten zum Abgleich mit dem Produkt hinterlegt sind. Das zentrale Management und der öffentliche Zugang zu den Daten können sich also vorteilhaft auf die Aufdeckung und Nachverfolgung von Medizinproduktfälschungen auswirken. So können nämlich alle, die ein Medizinprodukt benutzen, über die EUDAMED die Daten auf der Packung abgleichen, beispielsweise die UDI.

Zusätzlich zu den verpflichtenden Angaben nutzen manche Hersteller auch einen zusätzlichen Product Identifier, eine Seriennummer. Diese gehört zu den erlaubten, aber freiwilligen Merkmalen nach der MDR. Seriennummern könnten die Identifizierbarkeit von Fälschungen bzw. Originalen vereinfachen.

Die Stärkung der Post-Market-Survaillance gehört zu den Zielen der MDR. Gerade Händler sollten hier Verantwortung übernehmen und durch proaktives Handeln zur Bekämpfung von Medizinproduktefälschungen beitragen.

Wie aus der Befragung der Behörden hervorgeht, sind es vor allem Datenerhebung, Informationsaustausch und Sensibilisierung, die als Hebel für die Bekämpfung von Medizinproduktefälschungen gesehen werden.

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