Künstliche Intelligenz (KI) ist ein weites Feld der Informatik, das sich mit der Entwicklung intelligenter Maschinen befasst. Diese können Aufgaben ausführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung, Entscheidungsfindung und Sprachübersetzung. KI umfasst dabei die Entwicklung von Algorithmen und Computerprogrammen, die es Maschinen ermöglichen, aus Daten zu lernen und ihre Leistung im Laufe der Zeit zu verbessern, ohne dass der Mensch sie explizit programmieren muss. Maschinelles Lernen (ML), Verarbeitung natürlicher Sprache, und Robotik sind Methoden, um Künstliche Intelligenz zu erschaffen. Ihre „Intelligenz“ beziehen KIs dabei oft aus Datenbanken, welche zudem kontinuierlich wachsen.
Auch für die Pharmaindustrie können KIs einen großen Nutzen haben. Beispielsweise hat im Jahr 2020, ein Programm namens AlphaFold2 es geschafft, beinahe alle möglichen Proteinstrukturen vorherzusagen. Diese Ergebnisse werden aktuell wiederum an der Universität von Toronto verwendet, um ein Mittel gegen Leberzellkarzinome zu entwickeln. Das ist jedoch nur ein Beispiel der Anwendungsmöglichkeiten von KIs. In diesem Artikel blicken wir außerdem auf die Möglichkeiten zur Verbesserung von Herstellungsprozessen, der Arzneimittelforschung und den Chancen, die KIs in Zukunft bieten können.
Verbesserung des Herstellungsprozesses
Der künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile in der Pharmaindustrie, besonders in der Arzneimittelherstellung. Darunter fallen:
- Schnellere Wirkstoff-Entdeckung : KI kann dazu beitragen, potenzielle Wirkstoff-Kandidaten schneller zu identifizieren als gewöhnlich. ML-Algorithmen können eine Vielzahl von Gen-Mutationsdaten in digitalen Bibliotheken scannen und analysieren. So sagen sie vorher, welche Moleküle am ehesten gegen eine bestimmte Krankheit wirksam sein könnten.
- Verbesserte Entwicklung von Medikamenten: Eine KI ermöglicht es, Medikamente mit besserer Wirksamkeit und geringeren Nebenwirkungen zu entwickeln. Die Analyse großer Datensätze von Molekülstrukturen und ihrer Wechselwirkungen mit Proteinen kann Forscher:innen darin unterstützen, die chemische Struktur eines Medikamentes und dessen spezifische Wirkung weiter zu optimieren.
- Verbesserte Qualitätskontrolle: Bei der Überwachung von Arzneimittelherstellungsprozessen wird sichergestellt, dass Qualitätsstandards und Vorschriften eingehalten werden. Durch die Analyse von Sensordaten und Echtzeitmessungen in der Produktion können Abweichungen erkannt und potenzielle Probleme behoben werden.
- Gesteigerte Effizienz: Herstellungsprozesse von Arzneimitteln werden optimiert, Materialverschwendung reduziert und so die Effizienz insgesamt erhöht. Durch die Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen, einschließlich den Sensoren industrieller Anlagen, Produktionsaufzeichnungen und Umgebungsbedingungen, kann KI die effizientesten Herstellungsparameter ermitteln und Prozessverbesserungen vorschlagen.
Arzneimittelforschung
Nicht nur im Fall von AlphaFold2 können KIs bei der Arzneimittelforschung helfen. Aufgrund der enormen Datenmenge, die sie in kürzester Zeit verarbeiten können, analysieren sie um ein Vielfaches schneller als Menschen es könnten. Künstliche Intelligenz in der Pharmaindustrie hat dadurch drei besonders geeignete Anwendungsbereiche. Zum einen ist es die Vorhersage der Eigenschaften von Molekülverbindungen. So wird lediglich an Verbindungen mit den gewollten Eigenschaften weitergearbeitet, wodurch viel Zeit und damit Geld gespart werden kann. Weiterhin haben KIs das Potenzial völlig neue Verbindungen zu generieren. In der Theorie, kann ein Molekül erschaffen werden, welches alle Eigenschaften besitzt, um ein vorher gestecktes Erfolgsziel zu erreichen. Die Arzneimittelforschung könnte dadurch an Effizienz gewinnen. Zuletzt können KIs den Arbeitsaufwand von sich wiederholenden Aufgaben übernehmen und Forscher:innen dadurch Kapazitäten für andere Tätigkeiten gewinnen. Ein Beispiel wäre hier die Analyse histologischer Bilder.
Möglichkeiten durch KI
Künstliche Intelligenzen in der Pharmaindustrie haben ein schier unvorstellbares Potenzial. Bekannte Medikamente könnten wieder- oder neu verwendet werden (Drug Repurposing), in dem man zum Beispiel ihr Wirkstoffziel mit genetischen Daten anderer Erkrankungen vergleicht. So könnte mit Hilfe einer KI die Wirksamkeit eines Krebsmedikaments für Herzmuskelerkrankungen entdeckt werden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Diagnostik. Es gibt bereits KIs, die dabei helfen Krebs anhand von Symptomen frühzeitig zu erkennen. Außerdem ist es vorstellbar, dass Hautkrebs in Zukunft durch Bilderkennung und mit Hilfe von KIs schneller diagnostiziert werden kann. Für die personalisierte Medizin ist ebenfalls ein Nutzen des maschinellen Lernens erkennbar. Hierbei werden die phänotypischen Merkmale von Patient:innen, mit selten auftretenden Reaktionen, zum Behandlungszeitpunkt identifiziert. KIs helfen diese Bilder auszuwerten und lernen durch die gezogenen Schlussfolgerungen der Ärzt:innen, die Entscheidungsfindung bei zukünftigen Behandlungen zu verbessern. Einige Pharmakovigilanzprozesse werden schon heute mit künstlicher Intelligenz betrieben.
Es gibt aktuell sicher noch weitere Anwendungsbereiche für Künstliche Intelligenz in der Pharmaindustrie sowie jene die bisweilen noch nicht bekannt sind. Daher bleibt es spannend die Entwicklung auf diesem Gebiet weiter zu beobachten und sich von der Zukunft überraschen zu lassen.
[Update]
Im Juni 2023 hat das Europäische Parlament ein Gesetz zur Regulierung des Einsatzes von KI-Technologie in der Europäischen Union mit dem Namen EU AI Act verabschiedet. Ziel ist es, Regeln für Anbieter und Nutzer aufzustellen, die dem Risiko der KI für den Menschen entsprechen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass dieses Risiko im Vorfeld bewertet werden muss. Ein solches Gesetz ist vor allem für die Pharmaindustrie von Bedeutung, da die in diesem Bereich eingesetzte künstliche Intelligenz aufgrund der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit potenziell einen erheblichen Einfluss hat.