Um Medizinprodukte leichter einzuordnen, differenziert man sie in verschiedene Kategorien. Wie auch schon in der Medical Device Directive (MDD), werden sie dazu in der Medical Device Regulation (MDR) in drei Klassen aufgeteilt. So unterscheidet sich auch die Art der Bewertung eines Produkts, um auf den Markt zu gelangen, denn es gibt wesentlich andere Anforderungen an ein Pflaster als an ein künstliches Kniegelenk.
Die neue Regulierung verwendet ein System, welches das Risiko der jeweiligen Produkte evaluiert. Je geringer das Risiko bei den Anwender:innen ist, desto niedriger ist auch die MDR-Klasse. Abhängig von den Produktklassen sind außerdem die Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden. In unserem neuen Artikel erklären wir ihren jeweiligen Bezug zu den MDR-Klassen, welche hier ebenfalls erläutert werden.
MDR-Klassen
Zur Übersicht sind die Medizinproduktklassen tabellarisch aufgeführt. Dabei werden die Kategorien Klassifikation, Definition, Beispiele und Zertifizierung verwendet. Zertifizierung steht hierbei für die Notwendigkeit einer Zertifizierung durch eine Benannte Stelle. Hier geht es zu den aktuellen Übergangsfristen der MDR der Legacy Devices.
Medizinprodukte der Klasse I
Übergangsfrist: 31.12.2028
- Produkte der MDR Klasse I bergen ein sehr geringes Risiko und sind meist nicht-invasive Produkte, die keine Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben.
- Es besteht kein oder unkritischer Hautkontakt und nur eine vorübergehende Anwendung von unter 60 Minuten.
Klassifikation | Definition | Beispiele | Zertifizierung |
Klasse I | Geräte, die nicht steril sind oder keine Messfunktion haben | Rollstühle, Pflaster, Krankenhausbetten, Bettpfannen, Gehhilfen, Stützstrümpfe | Nein |
Klasse Is | Produkte, die in sterilem Zustand auf den Markt gebracht werden | Schutzausrüstung, OP-Textilien | Teilweise |
Klasse Im | Geräte, die eine Messfunktion haben | Stethoskope, Thermometer, Waagen | Teilweise |
Klasse Ir | Produkte, die wiederaufbereitet oder wiederverwendet werden | Chirurgische Instrumente, Endoskope | Teilweise |
Medizinprodukte der Klasse II
Übergangsfrist: 31.12.2027 | IIb implantierbar, 31.12.2028 | IIa + IIb nicht implantierbar
Klassifikation | Definition | Beispiele | Zertifizierung |
Klasse IIa | Kurzzeitige Anwendung im Körper (60 Minuten bis 30 Tage) | Dentalmaterialien, Desinfektionsmittel für Instrumente & Geräte, Zahnkronen, PACS, Diagnostische Ultraschallgeräte, Einmalspritzen, Hörgeräte, Kontaktlinsen, Trachealtuben | Ja |
Klasse IIb | Langzeitige Anwendung im Körper (mehr als 30 Tage) | Anästhesiegeräte, Beatmungsgeräte, Bestrahlungsgeräte, Blutbeutel, Defibrillatoren, Apheresegeräte, Dialysegeräte, Kondome, Dentalimplantate, Medizinische Gasanlagen, Kontaktlinsenreinigungs-lösung, Reinigungs-/ Desinfektionsautomaten, Infusionsgeräte | Ja |
Medizinprodukte der Klasse III
Übergangsfrist: 31.12.2027
- Produkte der MDR Klasse III bergen das höchste Risiko und haben lebenserhaltende Funktionen oder stellen ein hohes methodisches Krankheits- oder Verletzungsrisiko dar.
Klassifikazion | Definition | Beispiele | Zertifizierung |
Klasse III | Geräte, die langzeitig in das zentrale Kreislauf- oder Nervensystem eingesetzt werden oder Medikamente enthalten | Herzkatheter, Künstliche Hüft-, Knie- oder Schultergelenke, Stents, Brustimplantate, Resorbierbares chirurgisches Nahtmaterial, Intrauterinpessare, Hormonspiralen | Ja |
Software as a Medical Device
Viele medizinische Geräte verwenden Software, seien es Herzschrittmacher, Beatmungsgeräte oder die Bildverarbeitung von Röntgengeräten. In der Regel sind diese Programme in das Gerät eingebettet, in dem sie verwendet werden. Es gibt jedoch auch Software, die selbst als medizinisches Gerät fungiert. Sie werden als eigenständige SaMD (Software as a Medical Device) bezeichnet. Die Klassifizierung von eingebetteten und eigenständigen SaMDs ist in Regel 11 des Anhangs VII der MDR dargelegt:
Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, gehört zur Klasse IIa, es sei denn, diese Entscheidungen haben Auswirkungen, die Folgendes verursachen können:
- den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person; in diesem Fall wird sie der Klasse III zugeordnet, oder
- eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einen chirurgischen Eingriff; in diesem Fall wird sie der Klasse IIb zugeordnet.
Software, die für die Kontrolle von physiologischen Prozessen bestimmt ist, gehört zur Klasse IIa, es sei denn, sie ist für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt, wobei die Art der Änderung dieser Parameter zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen könnte; in diesem Fall wird sie der Klasse IIb zugeordnet.
Sämtliche andere Software wird der Klasse I zugeordnet.
Konformitätsbewertung
Bei der Konformitätsbewertung wird entschieden, ob das jeweilige Medizinprodukt den Ansprüchen der MDR gerecht wird. Hersteller tragen die Verantwortung für die Konformität, während die Benannten Stellen meistens die Produkte endgültig bewerten. Hier gilt, je höher die Produktklasse, desto mehr sind die Benannten Stellen involviert. Es wird in drei Konformitätsbewertungsverfahren unterschieden:
- Konformitätsbewertung auf der Grundlage eines Qualitätsmanagementsystems und einer Bewertung der technischen Dokumentation
- Konformitätsbewertung auf der Grundlage einer Baumusterprüfung
- Konformitätsbewertung auf der Grundlage einer Produktkonformitätsprüfung
Konformitätsbewertung nach Klassen
Wie erwähnt ist die Konformitätsbewertung abhängig von der MDR-Klasse. Welches Verfahren auf welche Klasse zutrifft, stellen wir hier dar:
- Klasse I: Die Produkte müssen über eine technische Dokumentation verfügen. Hersteller stellen anschließend eine EU-Konformitätserklärung aus, womit sie die Konformität ihres Produkts gewährleisten.
- Klasse II: In dieser Klasse wird die Konformität auf Grundlage des Qualitätsmanagementsystems und der technischen Dokumentation sichergestellt. Für implantierbare Produkte der Klasse IIb ist es zudem notwendig, die technische Dokumentation für jedes einzelne Produkt vorzuweisen. (Ausgenommen sind dabei: Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Zahn- bzw. Knochenplatten, Drähte, Stifte, Klemmen und Verbindungsstücke.)
- Klasse III: Für die Konformität dieser Klasse kann entweder das Qualitätsmanagementsystem dienen oder die Baumusterprüfung in Kombination mit der Produktionskonformitätsprüfung. Sonderanfertigungen sind hierbei jedoch ausgeschlossen.
Die vorliegenden Informationen sind nur eine mögliche Interpretation der Regularien. Diese befinden sich zudem im ständigen Wandel, sodass die Informationen in diesem Artikel möglicherweise unvollständig oder nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Bei dem obigen Artikel handelt es sich ausdrücklich nicht um eine rechtliche Beratung. Bitte informieren Sie sich in den offiziellen Dokumenten, bevor Sie unternehmerische Entscheidungen treffen. (Stand der Informationen: Januar 2023, Firsten aktualisiert November 2023)