Am 31. Dezember 2020 endete die Übergangsphase des Brexits und somit auch die Gültigkeit der EU-Vorschriften in Großbritannien. Seit dem Austritt aus der EU hat Großbritannien (GB) in dieser Hinsicht mit Hürden zu kämpfen. In einigen Branchen fehlen Arbeitskräfte, der Absatz in die EU hat abgenommen und es kam zu signifikanten Kosten bei der Anpassung von Verwaltung und Zöllen. Auch die MedTech-Regularien in Großbritannien fallen unter diese Anpassungen. Zum Zeitpunkt des Austritts aus der EU sollte Großbritannien eigentlich unter die Jurisdiktion der EU-MDR fallen. Da dieser Plan nicht aufging, wurde stattdessen die UK-MDR implementiert.
Die UK-MDR beinhaltet die Anforderungen der EU-MDR Vorgänger: Active Implantable Medical Devices Directive (AIMDD), In Vitro Diagnostic Medical Devices Directive (IVDD), Medical Devices Directive (MDD). Daher veröffentlichte die Medicines & Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) im Januar 2024 eine Roadmap zur Verbesserung der Patient*innen-Sicherheit. Ein besonderes Augenmerk darin erhält die Post-Market Surveillance, welche in Zukunft gestärkt werden soll. Was genau sieht die Roadmap vor? Welche Übergangsregelungen sind für Medizinprodukte weiterhin gültig? Und welche Alternative entsteht für die CE-Kennzeichnung der EU? Auf diese Fragen gehen wir hier ein.
CE—Kennzeichnung in Großbritannien: UKCA
Seit dem Ende der Übergangsperiode gibt es für die MedTech Branche in Großbritannien ein CE-Kennzeichen-Äquivalent namens UKCA (UK Conformity Assessed). Ihre Ausstellung ist abhängig vom Einhalten der UK-MDR. Das CE-Kennzeichen ist jedoch weiterhin zulässig, allerdings mit Deadline.
- Medizinprodukte in Übereinstimmung mit der MDD und der AIMDD können bis zum 30. Juni 2028, oder bis zum Ablaufen ihrer Konformitätserklärung verkauft werden, je nachdem, was früher eintritt.
- In Vitro Diagnostik-Produkte in Übereinstimmung mit der IVDD können bis zum 30. Juni 2030, oder bis zum Ablaufen ihrer Konformitätserklärung verkauft werden, je nachdem, was früher eintritt.
- Medizinprodukte, darunter auch Sonderanfertigungen, in Übereinstimmung mit der MDR und In Vitro Diagnostik-Produkte in Übereinstimmung mit der IVDR können bis zum 30. Juni 2030, oder bis zum Ablaufen ihrer Konformitätserklärung verkauft werden, je nachdem, was früher eintritt.
Der Verkauf von Produkten der MDR Klasse I mit selbst deklarierter CE-Kennzeichnung ist ebenfalls bis nach dem 30. Juni 2023 geregelt. Hierfür gibt es zwei Ausnahmen. Zum einen gilt dies für selbst deklarierter Produkte mit Konformität nach der MDR. Sie können ebenfalls bis zum 30. Juni 2030 verkauft werden. Zum anderen sind selbst deklarierter Produkte nach MDD einbezogen, bei denen die Involvierung einer Benannten Stelle nicht notwendig ist. Darunter fallen auch hochgestufte Produkte und wiederverwendbare chirurgische Instrumente. Sie können bis zum 30. Juni 2028 verkauft werden. Der Verkauf von Sonderanfertigungen mit Zulassung nach MDD und AIMDD ist jedoch nicht länger möglich.
Wünsche der MedTech-Industrie zur Post-Market Surveillance
Im Zuge des Brexits und der bevorstehen Änderungen an den Medizinproduktverordnungen eröffnete die MHRA eine Feedbackrunde bezüglich der Post-Market Surveillance. Zusammenfassend wurden dabei vier Wünsche der Teilnehmenden genannt, welche in Zukunft berücksichtig werden sollen:
- Eine Angleichung an die EU-Regularien, um den Herstellern wirtschaftliche und operative Vorteile zu bringen.
- Die Einbeziehung der Patient*innen soll im Rahmen eines Post-Market Surveillance-Plans dargelegt werden.
- In zukünftigen Leitlinien sollen detaillierter Angaben der zu berücksichtigenden Aspekte dargelegt werden.
- Der erforderliche Detaillierungsgrad soll anhand eines risikobasierten Ansatzes festgelegt werden.
Im Ganzen wünscht sich die MedTech-Industrie in Großbritannien damit eine größere Klarheit für die zukünftigen PMS-Regularien. Ein diesbezüglicher Plan wurde ebenfalls schon veröffentlicht. Bislang sind Hersteller lediglich dazu verpflichtet, ein PMS-System aufrechtzuerhalten. Was ein solches System leisten soll, ist jedoch nur in Empfehlungen festgehalten und nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Geplante Umsetzung der Post-Market Surveillance-Wünsche
Eine Mitteilung der World Trade Organization vom 26. Juli 2023 geht auf die geplanten Änderungen bezüglich des PMS in GB ein. Die Vorschläge:
- Detaillierte Angaben dazu, was Teil eines PMS-Systems sein muss, einschließlich der Methoden zur Erfassung von PMS-Daten, um eine verbesserte Erfassung und eine herstellerübergreifende Harmonisierung zu unterstützen.
- Verbesserte Meldepflichten für schwerwiegende Vorfälle der Hersteller, um die frühzeitige Erkennung von Sicherheitsproblemen zu unterstützen.
- Strengere Anforderungen an die Hersteller zur Durchführung regelmäßiger Überprüfungen ihrer PMS-Daten, auch für implantierbare Medizinprodukte. Dies soll die Hersteller dabei unterstützen, Trends und Signale, die sich auf die Sicherheit eines Medizinprodukts auswirken könnten, früher zu erkennen.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern auf die Wünsche der MedTech Industrie in Großbritannien eingegangen wird, da bislang zu wenig Details veröffentlicht wurden. Eine Ausnahme ist die Einbeziehung der Patient*innen. Durch die Verbesserung der Meldepflicht von schwerwiegenden Vorfällen soll dieser Punkt gewährleistet werden. Laut Dokument wurde der Juni 2024 als Datum für das Inkrafttreten vorgeschlagen. Aus der aktuelleren Roadmap der MHRA lässt jedoch das Ende des Jahres als Deadline herauslesen.
Die neuen UK Approved Bodies
Mit dem Austritt aus der EU sind die Benannten Stellen nicht mehr akkreditiert, um Konformitätsbewertungsverfahren für Medizinprodukte durchzuführen. Die UK Approved Bodies werden damit zu deren Äquivalent. Da sich die UK-MDR nach den ehemaligen europäischen Anforderungen richtet, entsprechen die Verfahren jedoch der AIMDD, IVDD und MDD. Hersteller müssen sich somit nicht auf signifikante Änderungen einstellen. Produkte der Klasse I benötigen daher auch kein Konformitätsbewertungsverfahren durch einen UK Approved Body.
Update [10.10.2024]
Die britische Regierung hat einen umfassenden Plan zur Beschleunigung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte durch die Anerkennung von Zulassungen bestimmter internationaler Regulierungsbehörden vorgestellt. Dazu gehören die Vorschriften Australiens, Kanadas, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten. Darüber hinaus gibt es Einschränkungen für bestimmte Produkte mit 510(k)-Clearing und für einige bestimmte Produktarten (z. B. KI-basierte Produkte). Ziel dieser Initiative ist es, den rechtzeitigen Zugang zu sicheren Medizinprodukten für Patienten im Vereinigten Königreich zu gewährleisten. Gleichzeitig wird versucht, Innovationen zu fördern und das Vereinigte Königreich als attraktiven Markt für Medizintechnik zu erhalten.
Wichtige Punkte:
- Internationale Anerkennung: Beschleunigung des Zulassungsverfahrens durch Anerkennung internationaler Regulierungsbehörden.
- Übergangsregelungen: Erweiterte Anerkennung von CE-gekennzeichneten Produkten, um den Übergang zu erleichtern.
- Künftiger Regulierungsrahmen: Fokus auf Patientensicherheit, Innovation und Marktattraktivität.
- Laufende Aktivitäten: Es werden fortlaufend Gespräche mit den Stakeholdern geführt, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Zeitplan:
- 2024: Vorrangige Maßnahmen zur Verbesserung der Überwachung nach dem Inverkehrbringen.
- 1. Juli 2025: Kernelemente des neuen Rechtsrahmens sind vorhanden.
- 30. Juni 2028: CE-gekennzeichnete allgemeine Medizinprodukte, die der EU-MDD-Richtlinie oder der EU-AIMDD-Richtlinie entsprechen, können in Großbritannien in Verkehr gebracht werden.
- 30. Juni 2030: CE-gekennzeichnete IVDs, die mit der EU-IVDD konform sind, und allgemeine Medizinprodukte, die mit der EU-MDR konform sind, können in Großbritannien auf den Markt gebracht werden.
Das Vereinigte Königreich beabsichtigt, die Systembereitschaft zu gewährleisten und Versorgungsunterbrechungen zu minimieren, um den Weg für eine sicherere und innovativere Gesundheitslandschaft zu ebnen.
[Disclaimer]
Die vorliegenden Informationen sind nur eine mögliche Interpretation der Regularien. Diese befinden sich zudem im ständigen Wandel, sodass die Informationen in diesem Artikel möglicherweise unvollständig oder nicht mehr auf dem neusten Stand sind. Bei dem obigen Artikel handelt es sich ausdrücklich nicht um eine rechtliche Beratung. Bitte informieren Sie sich in den offiziellen Dokumenten, bevor Sie unternehmerische Entscheidungen treffen. (Stand der Informationen: Mai 2024)