In der Europäischen Union werden Arzneimittel und Medizinprodukte erst für den Markt zugelassen, wenn Hersteller die Sicherheit ihrer Produkte garantieren können. Treten nach Inverkehrbringen unerwünschte Ereignisse auf, greifen die Vigilanzverfahren der jeweiligen Industrien. Denn die Patientensicherheit ist nach wie vor ein sehr wichtiges Anliegen im Gesundheitswesen.
Mit der Einführung der Medical Device Regulation (MDR) und des Pharmakovigilanzsystem der European Medicines Agency (EMA) hat die EU Strukturen geschaffen, die die Patienten- und Produktsicherheit verbessern und die Überwachungsmechanismen stärken sollen. Dieser Artikel hat zum Ziel die Konzepte der Pharmakovigilanz und der Post-Market Surveillance/Vigilanz von Medizinprodukten gegenüberzustellen und ihre Bedeutung für den Schutz von Patienten zu beleuchten. Darüber hinaus wird das Potenzial der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Unterstützung dieser Themenbereiche betrachtet.
Pharmakovigilanz
Die Aufgabe der Pharmakovigilanz ist es, die Produktsicherheit im Pharma-Bereich zu überwachen. Vor der Zulassung eines Medikamentes werden klinische Studien durchgeführt, in denen etwaige unerwünschten Ereignisse festgestellt und dokumentiert werden. Leider können auch nach Markteinführung noch weitere unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Mögliche Gründe können Multimedikation, Off-Label-Use oder Medikationsfehler sein. Hier wird die Pharmakovigilanz auch nach der Zulassung relevant. Die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (Artikel 48) schreibt vor, dass jeder Inhaber einer Arzneimittelzulassung über eine Qualified Person for Pharmacovigilance (QPPV) verfügen muss. Diese Person ist, laut dieser Verordnung und der Good Vigilance Practice Richtlinien (GVP), für die Implementierung und Verwaltung eines Pharmakovigilanz- und Risikomanagementsystems verantwortlich. Weitere Aufgaben sind Dokumentations- und Meldepflichten, sowie das Erstellen von Berichten für die jeweiligen Behörden.
Post-Market Surveillance und Vigilanz für Medizinprodukte
Als Post-Market Surveillance wird die kontinuierliche Überwachung und Bewertung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit zugelassener Medizinprodukte bezeichnet. Dies geschieht durch proaktive und reaktive Sammlung von Daten zu dem jeweiligen Produkt. Bei der Vigilanz handelt es sich um den Umgang mit schwerwiegenden Vorkommnissen, deren Meldung und das Ergreifen von Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Praxisgebrauch von Medizinprodukten. Laut EU-MDR, Kapitel VIII, sind Hersteller dazu verpflichtet ein System für die Überwachung potenzieller Risiken, wie zum Beispiel Fehlfunktionen, Leistungsmängel oder unerwünschten Ereignissen, einzurichten. Darüber hinaus schreibt die MDR vor, aktualisierte Pläne für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen zu führen und eine verantwortliche Person für Vigilanz-Aufgaben zu benennen.
KI als Möglichkeit
Eine Gemeinsamkeit der MedTech- und Pharmabranche ist das Sammeln und Auswerten von Daten im Rahmen der Pharmakovigilanz und Vigilanz/Post-Market-Surveillance. Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Lage, die riesigen Datenmengen aus verschiedenen Quellen zu analysieren. Ob es sich dabei um elektronische Gesundheitsakten oder klinische Studien handelt, spielt keine Rolle. So kann eine KI beispielsweise innerhalb einer Datenbank nach Korrelationen zwischen bestimmten Medikamenten und unerwünschten Ereignissen (Neben- oder Wechselwirkungen) suchen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit Patient*innen zu identifizieren, die aufgrund ihrer Krankengeschichte und anderer Faktoren ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Ereignisse aufweisen. So können potenzielle Risiken und andere Sicherheitsbedenken schnell erkannt werden. Eine KI kann ebenfalls dazu beitragen, die Meldung und Überwachung von unerwünschten Ereignissen zu optimieren.
Künstliche Intelligenz könnte das Potenzial haben, die Produktsicherheit in den Bereichen Pharma und MedTech erheblich zu vereinfachen und die Patientensicherheit zu erhöhen.
Outsourcing von Teilprozessen
Vigilanz- und Post-Market-Surveillance Aktivitäten, ob in Pharma oder MedTech, sind komplex und Experten auf Seiten der Zulassungsinhaber sollten daher stets die Hauptverantwortung für diese Prozesse tragen. Sei es durch die Zunahme von Risiken im Bereich Pharma, oder sich ändernde Regularien im Bereich MedTech. Die Anforderungen erhöhen sich stetig und stellen besonders kleine und mittelständische Unternehmen vor die Herausforderung mehr personelle Ressourcen freizumachen. Die benannten Mitarbeiter*innen erhalten diese Aufgaben nämlich zusätzlich zu ihren Haupttätigkeiten.
Eine Auslagerung bestimmter Aufgaben kann hier von Vorteil sein. Ein Großteil der Verpflichtungen (Fleißarbeit) kann so an eine dritte Partei abgegeben werden. Mögliche Prozesse, die outgesourced werden könnten, sind die Sammlung von Daten zu potenziellen Nebenwirkungen, die Entwicklung von Risikomanagementplänen oder das Erstellen von Berichten. Ein bedeutender Vorteil des Outsourcings ist die Einsparung von Kosten für Personal, Verwaltung und Aus- bzw. Fortbildung. Außerdem verbessert sich durch Outsourcing der Zugang zu themenrelevantem Fachwissen und den technischen Ressourcen der Anbieterfirma, wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz.